Rückblick: 15. Dialogforum zur Stadt-Umland-Bahn
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„Es gewinnen alle gemeinsam, oder es verlieren alle gemeinsam. Dazwischen gibt es nichts. Nehmen Sie das Geschenk an“, resümiert der Schienenexperte Prof. Dr. Martin Pächer von der Technischen Hochschule Mittelhessen am Ende seines Gastvortrags, der mit seinem Appell auch auf die einmalige Förderkulisse der Stadt-Umland-Bahn abzielt. Zuvor blickt er auf den gescheiterten Bürgerentscheid in Wiesbaden im Jahr 2020 zurück und schildert den rund 250 Teilnehmenden vor Ort und im Livestream eindrucksvoll, wie die Stadt Wiesbaden ihre Gelegenheit zu einer Verkehrswende versäumt und mit den Folgen bis heute zu kämpfen hat.
Ein beachtlicher Teil der Kosten wurde bereits beglichen
Im ersten Teil der Veranstaltung erläutert die Geschäftsleiterin Mandy Guttzeit unter Berücksichtigung häufig gestellter Fragen nochmals die wichtigsten Ergebnisse der letzten sieben Jahre StUB-Planung, darunter auch Fragen zur Finanzierung. Der Eigenanteil der Stadt Erlangen liege bei 82 Millionen Euro, davon wurden bis nächstes Jahr – also 2025 – bereits 29 Millionen Euro ausgegeben. Somit verbleiben 53 Millionen Euro, die sich auf die nächsten 10 Jahre verteilen. Das entspricht jährlich weniger als 10% des städtischen jährlichen Gesamtinvestitionshaushalts. Auf die Gefahr von unvorhergesehen Kostensteigerungen angesprochen, erläutert Guttzeit, dass das Risiko sehr gering sei, da die Inflation grundsätzlich nicht förderschädlich ist und in den ausgewiesenen Investitionskosten schon heute zusätzlich über 100 Millionen Euro Risikopuffer enthalten sind. Wichtig sei, dass man sich in diesem Zusammenhang vor Augen führe, dass sich die Kosten für wichtige Bauwerke, wie die Regnitzgrundbrücke oder das Bauwerk von der Güterhallenunterführung bis zum Hauptbahnhof, auf zusammen etwa 65 Millionen Euro belaufen. Das bedeutet, dass selbst im sehr unwahrscheinlichen Fall einer Kostenverdopplung, noch ausreichend Risikopuffer enthalten wäre und dass sich dadurch die ausgewiesenen Kosten nicht erhöhen würden. Zudem könne man Sorgen hinsichtlich des Unterhalts nehmen: Nach aktuellen Berechnungen betragen die Betriebskosten der StUB mit einer Größenordnung von ca. 1,2 Mio. € rund 10% des heutigen städtischen Verkehrsverlustausgleichs für den Stadtbusverkehr. „Die Gewährleistung einer funktionierenden Verkehrsinfrastruktur gehört, neben zahlreichen anderen Aufgaben einer Stadtverwaltung, zu Ihren originären Kernaufgaben“, erklärt Dr. Florian Janik, Oberbürgermeister der Stadt Erlangen. „Die StUB ist notwendig, um dem steigenden Mobilitätsbedürfnis unseres wachsenden Wohn- und Wirtschaftsstandorts gerecht zu werden. Von einer nicht kalkulierbaren Belastung des Erlanger Haushalts kann in Anbetracht der vergleichsweise überschaubaren Kosten nicht die Rede sein.“
Mehrwert für die ganze Region, Busse keine Alternative
Immer wieder tauche die Frage auf, wer eigentlich von der StUB profitiere. Dazu Daniel Große-Verspohl, Kaufmännischer Leiter des ZV StUB: „Es profitieren nicht nur die Erlanger entlang der StUB-Strecke, sondern auch zahlreiche weitere Menschen, die durch Optimierungen im Busnetz schneller ins Erlanger Zentrum kommen. Das betrifft insgesamt rund 63.000 Menschen mit Hauptwohnsitz in den relevanten Einzugsbereichen, also mehr als die Hälfte der Erlanger Bevölkerung.“ So verkürze sich die Fahrzeit mithilfe der ausschließlich dem ÖPNV und nur im Bedarfsfall auch Rettungsfahrzeugen vorbehaltenen Regnitzquerung vom Erlanger Westen ins Stadtzentrum signifikant: Vom Klinikum am Europakanal bis zum Erlanger Hauptbahnhof wären es dann nur noch ca. 8 Minuten (aktuell 22 mit Umstieg) oder vom Schulzentrum West bis zum Erlanger Hauptbahnhof 3 statt bisher 11 Minuten.
In diesem Zusammenhang werde man auch immer wieder auf etwaige Alternativen, allem voran das Thema (E-)Busse angesprochen, so der Technische Leiter Dr. Stefan Opheys. „Busse sind aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht die Lösung des heutigen Verkehrsproblems: „Erstens gibt es für ein Mehr an Bussen schlichtweg nicht ausreichend Platz – siehe Goethestraße – zweitens würden sie, nicht nur aus Kapazitätsgründen, nicht annähernd so viele Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV bewegen, wie eine Straßenbahn (Stichwort: Schienenbonus).“ Ein Schnellbussystem wie das BRT würde zudem eigene Busspuren benötigen und, allem voran, ebenfalls eine neue Regnitzquerung für den ÖPNV voraussetzen. „Im Endergebnis bräuchte man für ein deutlich schlechteres Resultat vergleichbar viel neue Infrastruktur. Frühere Untersuchungen belegen eindeutig, dass selbst mit der Einführung eines solchen Schnellbussystems der prognostizierte Nutzen deutlich geringer ausfällt als mit der StUB.“
Das bestätigen auch Prof. Pächer und der Leiter der Ulmer Verkehrsbetriebe Ralf Gummersbach. In Wiesbaden werden zwischenzeitlich sogar Buslinien reduziert.
Dass nicht nur in Deutschland, sondern weltweit vermehrt auf moderne Straßenbahnsysteme gesetzt werde, veranschaulicht Jürgen Zöbl von Siemens Mobility. „Bei modernen Straßenbahnsystemen handelt es sich um technisch hochkomplexe, zuverlässige, effiziente und nachhaltige Massentransportmittel und nicht um antiquierte Technik aus dem letzten Jahrhundert.“
Information als Grundlage für eine fundierte Entscheidung
Wenn die Vorteile so klar auf der Hand liegen, warum ist die Entscheidung für eine Straßenbahn dann so schwierig? „Die Gründe für die Ablehnung eines dringend benötigten Infrastrukturprojekts sind, heute wie damals, vielfältig. Vielen gemein ist aber der Versuch, mithilfe gezielter Fehlinformation ein Szenario der Verunsicherung zu schaffen“, so Prof. Pächer, der in Erlangen Parallelen zum gescheiterten Bürgerentscheid in Wiesbaden erkennt.
„Plakative Meinungen und Mutmaßungen sind in der heutigen Zeit vergleichsweise schnell geäußert. Das ist besonders problematisch, wenn dadurch Ängste geschürt werden. Unser Ziel als Zweckverband ist es, den Menschen auf Basis deutschlandweit vergleichbarer, anerkannter und empirisch nachvollziehbarer Verfahren eine solide Grundlage zu vermitteln, damit sie am 9. Juni eine fundierte, faktenbasierte Entscheidung treffen können. Ich bin zuversichtlich, dass die Erlangerinnen und Erlanger den Mehrwert der StUB für sich und Ihre Region erkennen“, erklärt Mandy Guttzeit.
Dr. German Hacker, 1. Bürgermeister der Stadt Herzogenaurach, macht nochmals auf die einmalige Chance für die gesamte Region aufmerksam: „Wenn wir die zur Verfügung gestellten Fördermittel nicht in unsere Region investieren, der Rest von Deutschland nimmt sie sicher mit Kusshand.“ Dem pflichtet auch Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König bei, der mit seiner Stadt auf jahrelange positive Erfahrungen mit der Straßenbahn zurückblicken kann: „Wir als Stadt Nürnberg haben unsere Hausaufgaben zur StUB gemacht – die Verlängerung bis zu Am Wegfeld wird schon heute sehr gut angenommen und wurde explizit als Vorstufe zur StUB umgesetzt. Darüber hinaus tut eine Straßenbahn wirklich nicht weh.“
Interessierte finden die Vorträge und Präsentationen des Abends auf https://www.stadtumlandbahn.de/beteiligung/dialogforum/15-dialogforum/
Bürgerentscheid am 9. Juni 2024
Am 9. Juni findet neben der Europawahl auch der Bürgerentscheid zur Stadt-Umland-Bahn in Erlangen statt. Alle Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen, sich umfassend zu informieren, zur Wahl zu gehen und nicht nur die Zukunft Ihrer Stadt, sondern die Ihrer ganzen Region aktiv mitzugestalten. Informationen zum Abstimmungsprozess sind auf der Homepage der Stadt Erlangen zu finden: https://erlangen.de/aktuelles/ratsbegehren-stadt-umland-bahn#
Darüber hinaus finden Interessierte alle Informationen zur StUB auf www.stadtumlandbahn.de
Der Zweckverband Stadt-Umland-Bahn
Der Zweckverband Stadt-Umland-Bahn (ZV StUB), mit seiner Geschäftsstelle in Erlangen, ist für die Planung, den Bau und Betrieb der StUB zuständig. Mitglieder des ZV StUB sind die drei Städte
Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach. Verbandsvorsitzender ist derzeit Dr. Florian Janik, Oberbürgermeister der Stadt Erlangen. Bei der Stadt-Umland-Bahn handelt es sich aktuell um eines der größten Straßenbahnprojekte in Deutschland. Auf einer 26 Kilometer langen Strecke soll die StUB Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach im 10-Minuten-Takt verbinden.